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Methodologisch folge ich in meinen Arbeiten und Publikationen dem Verständnis der Philosophie als strenger Wissenschaft. Dementsprechend sind die Methoden der Logik und Wissenschaftstheorie für alle philosophischen Analysen maßgebend. Logische Perfektion (Widerspruchsfreiheit und Gültigkeit), semantische Folgerichtigkeit (einwandfreies Zusammenwirken von Satzbedeutungen), Kohärenz (innerer Zusammenhang des Satz- bzw. Gedankengebäudes) und präzise Begriffsapparate müssen das Fundament jeder philosophischen Abhandlung bilden. Wenn der Prüfstein der Empirie fehlt, was für philosophische Theorien geradezu konstitutiv ist, ist dies der einzige Zufluchtsort. Ihn gilt es aufzusuchen, nicht zuletzt um dem Vorwurf zu begegnen, man wäre bloß ein Schwadroneur.

Arbeitsschwerpunkte: Metaphysik, Erkenntnistheorie, Philosophie des Geistes, Gehirn-Geist-Problem, Wirklichkeitstheorie (Grundverfassung der Wirklichkeit und epistemische Situation kognitiver Subjekte)

Grundlagen der Philosophie — Einführung in die Geschichte und die Kerndisziplinen (2020)

Die vorliegende Abhandlung ist dem Wunsch entsprungen, ein Einführungsbuch zur Hand zu haben, das den Anforderungen unserer Lehrtätigkeit an der Academia Philosophia entspricht: einem Laien die Grundlagen der Philosophie näher zu bringen – außerhalb der Mauern der Universitäten, aber nichtsdestoweniger auf angemessenem theoretischen Niveau. Man hat es also im Eigentlichen mit einem Lehrmittel zu tun. Während der vielen Jahre, die wir es nun schon im Gebrauch haben, haben wir es nicht zuletzt in der Debatte mit den Studierenden stets weiterentwickelt, sodass es heute, wie wir glauben, einem größeren Kreis von Interessierten zur Verfügung gestellt werden kann. Der Text soll dazu beitragen, sich im scheinbar undurchdringlichen Labyrinth philosophischer Auffassungen, Positionen und Theorien zu orientieren; ein tiefergehendes Verständnis der genuinen Problem- und Fragestellungen auszubilden, mit denen wir es in der Philosophie zu tun haben; die arttypische Weise des philosophischen Denkens zu erfassen und den Abstraktionsgrad sowie die Präzision des eigenen Denkens zu erhöhen.

Wass, Bernd; Palasser, Heinz: Grundlagen der Philosophie, Einführung in die Geschichte und die Kerndisziplinen, Tredition, Hamburg, 2020

Der Neubeginn der Philosophie (2020)

Wie kaum ein anderer Denker steht René Descartes für den Neubeginn der Philosophie. Ein Neubeginn, der vor allem entlang seiner beiden Hauptwerke, ›Discours de la Méthode‹ und ›Meditationes de prima philosophia‹, auskristallisiert. Es ist die Zurückweisung der ungeheuren epistemischen Sicherheit des Mittelalters samt der Philosophie seiner Autoritäten, die Abkehr von der Naturphilosophie Aristoteles’, die methodologisch fundierte und begrifflich präzise Ausgestaltung der tradierten Beziehung von Ich, Welt und Gott, aber auch die literarische Selbstinszenierung, die Descartes berühmt werden lässt.

Vor dem Hintergrund der Philosophie des Mittelalters und den philosophiehistorischen Implikationen des Cartesianismus habe ich versucht, die außergewöhnliche Bedeutung Descartes’ für das moderne Denken, die Originalität seiner Philosophie und den Grundriss seiner beiden Hauptwerke herauszuarbeiten.

Waß, Bernd: Der Neubeginn der Philosophie, Über René Descartes' Discours de la Methode und die Meditationes de prima Philosophia, Tredition, Hamburg, 2020

Prinzipien und Struktur einer gerechten Gesellschaft (2019)

Die Frage nach der Gerechtigkeit ist wieder en vogue, nicht nur in der Philosophie. Kein Wunder angesichts der aktuellen Krisen, seien es Staats-, Flüchtlings-, Umwelt- oder Wirtschaftskrisen, der kriegerischen Auseinandersetzungen, die sich über den Globus verteilt zutragen, und der humanitären Katastrophen in ihrem Gefolge. Langsam aber sicher, so scheint es, gerät die, an ein grenzenloses Wachstum glaubende und auf dem Boden unerbittlicher Profitmaximierung aufruhende, postindustrielle Gesellschaft an ihre Grenzen.

John Rawls’ Theorie der sozialen Gerechtigkeit gehört ohne Zweifel zu den wirkmächtigsten philosophischen Texten des 20. Jahrhunderts. In der hier vorliegenden Abhandlung wurde daher der Versuch unternommen, den Grundriss dieses umfangreichen moral- wie vertragstheoretischen Werks, in dem Prinzipien und Struktur einer gerechten Gesellschaft offengelegt werden, herauszuarbeiten.

Waß, Bernd: Prinzipien und Struktur einer gerechten Gesellschaft, Über John Rawls‘ Theorie der Gerechtigkeit – Grundriss eines philosophischen Meisterwerks, Tredition, Hamburg, 2019

Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Grundriss eines philosophischen Meisterwerks (2018)

Immanuel Kants Hauptwerk, die ›Kritik der reinen Vernunft‹, gehört nicht nur zu den großen Klassikern philosophischer Literatur, sondern ist ohne Zweifel auch eines der wirkmächtigsten in der Geschichte der Philosophie. Nichtsdestoweniger ist es schwer zugänglich und ohne fundierte philosophische Kenntnisse kaum zu verstehen. In der hier vorliegenden Arbeit wurde daher der Versuch unternommen, die wesentlichen Stränge dieser so fundamentalen Weltdeutung, als einen Grundriss derselben, herauszuschälen und auf diese Weise in das intellektuelle Vermächtnis Kants einzuführen.

Wass, Bernd: Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Grundriss eines philosophischen Meisterwerks, Tredition, Hamburg, 2018

Gottfried Wilhelm Leibniz – Grundriss eines philosophischen Meisterwerks (2017)

Die hier vorliegende Arbeit versteht sich als Einführung in die wesentlichen Stränge der Philosophie Leibniz', insbesondere in seine weitreichenden metaphysischen Abhandlungen. Man kann sie im Sinne einer Propädeutik lesen — als Vorbereitung zum Studium der Originaltexte —, als Verbindungsglied zu umfangreicheren Abhandlungen über Leibniz, aber auch als eine in sich geschlossene Arbeit, deren Anspruch es ist, Leibnizens Denken systematisch nachzuzeichnen und seinen Versuch einer metaphysischen Weltdeutung im Prinzip verständlich zu machen.

Wass, Bernd: Gottfried Wilhelm Leibniz – Grundriss eines philosophischen Meisterwerks, Tredition, Hamburg, 2017

Kolloquien, Philosophische Gespräche, Band 2 (2016)

Die in diesem band gesammelten Texte wurden im Rahmen der Kolloquien der Academia Philosophia verfasst. Es handelt sich dabei um philosophische Texte, die entweder der Ein- bzw. Hinführung zu einem bestimmten Thema dienen oder einen pointierten philosophischen Kommentar beinhalten.

Kolloquien, Philosophische Gespräche, Band 2, Tredition, Hamburg, 2016)

Das Leib-Seele-Problem und die Metaphysik des Materiellen (2013)

Das ontologische Grundproblem der Philosophie des Geistes, das Leib-Seele-Problem, ist bis heute nicht gelöst. Die klassischen Positionen (Physikalismus, Dualismus und Idealismus) sind in letzter Konsequenz nicht in der Lage, die Grundverfassung der Wirklichkeit einwandfrei begreiflich zu machen. In den letzten Jahren ist mit dem Aufstieg der Philosophie des Geistes zu einem Schwerpunkt philosophischer Forschung und dem zunehmenden Einfluss der Neurowissenschaft auf philosophische Untersuchungen, eine Verengung des Blickfelds zu beobachten. Die meisten Geistesphilosophen verfolgen noch immer das Ziel des Physikalismus, Geist auf Gehirn zu reduzieren. Doch das reduktionistische Projekt des Physikalismus muss im Grunde als gescheitert betrachtet werden. Die prinzipiellen Probleme, die es mit sich bringt, sind unüberwindbar. Es steht außer Streit, dass die Diskussion der letzten Jahrzehnte zwischen Reduktionisten und Antireduktionisten zu einem besseren Verständnis der Problematik insgesamt beigetragen hat, doch letztlich weist die Debatte einen erheblichen Mangel auf. Es werden nämlich die Fundamentalbegriffe, also der Begriff des Physischen und der Begriff des Geistigen, das zeigt die Forschungsliteratur deutlich, weithin als unproblematisch vorausgesetzt. Der ausschlaggebende Umstand, der weithin übersehen wird, ist die – für die Konstruktion der Erfahrungswirklichkeit praktisch unvermeidbare – Identifikation der Wahrnehmungsgegenstände mit der physischen Wirklichkeit und die daraus resultierende, philosophisch aber höchst problematische, Vorstellung einer erfahrungsimmanenten Außenwelt. Es gilt daher zu prüfen, inwieweit die traditionelle, immanenzontologische Ausdeutung der Fundamentalbegriffe, von der sich auch die Physik nie ganz befreit hat, einer tiefenscharfen ontologischen und erkenntnistheoretischen Analyse standhält. Eine Prüfung, die aber auch die Grundzüge der sogenannten Transzendenzontologie offenlegt, die ich zur Lösung des Leib-Seele-Problems vorschlage.

Waß, Bernd: Das Leib-Seele-Problem und die Metaphysik des Materiellen, Walter de Gruyter, Berlin, 2013

Kolloquien, Philosophische Gespräche, Band 1 (2013)

Die in diesem band gesammelten Texte wurden im Rahmen der Kolloquien der Academia Philosophia verfasst. Es handelt sich dabei um philosophische Texte, die entweder der Ein- bzw. Hinführung zu einem bestimmten Thema dienen oder einen pointierten philosophischen Kommentar beinhalten.

Kolloquien, Philosophische Gespräche, Band 1, Tredition, Hamburg, 2013.

Die reale Außenwelt und das Wirklichkeitsproblem (2009)

In welcher Weise gewinnen wir Erkenntnisse über die Außenwelt? Liefert die Wahrnehmung den unmittelbaren Zugang dazu? Existiert überhaupt eine Wirklichkeit jenseits des Bewusstseins? Die Klärung dieser Fragen ist von fundamentalem Interesse, wenn uns daran gelegen ist, die erkenntnistheoretische Situation zu erhellen, in der wir uns im Hinblick auf unser Wissen über die Außenwelt befinden. Durch eine kritische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Wirklichkeitstheorien wird versucht, zu einem philosophischen Verständnis unseres kognitiven Selbst- und Weltbildes beizutragen.

Die reale Außenwelt und das Wirklichkeitsproblem, Universität Salzburg, 2008.

Der Begriff der Verantwortung

Glühend sind die Plädoyers für die Verantwortung auf der einen Seite, düster die Kunde von ihrem Untergang auf der anderen. Vielen ist sie zum heiligen Gral geworden. Es gilt sie einzufordern, zu delegieren, zu übernehmen. Für viele andere wiederum ist sie bereits tot. In einer Diktatur des Nutzens, in der wir zusehends leben, und in der der ökonomische Vorteil das Einzige scheint, woran sich alles Tun auszurichten hat, ist sie ein Klotz am Bein, den man los zu werden sucht. Doch platonisch ausgeleuchtet liegt der Verdacht nahe, dass weder die einen noch die anderen genügend über die Sache wissen. Ohne jedoch über eine hinreichend genaue Vorstellung davon zu verfügen, womit man es, dem Begriff nach, überhaupt zu tun hat, geht alles Reden und Denken über Verantwortung ins Leere. Es bedarf daher zunächst einer Aufklärung des Begriffs der Verantwortung, nicht der gedankenlosen Verwendung desselben.

Der gesunde Menschenverstand

In letzter Zeit könnte man den Eindruck gewinnen, als erführe der gesunde Menschenverstand – umgangssprachlich auch Hausverstand genannt – eine Renaissance. Es scheint so, als wäre er nicht nur eine zuverlässige Quelle für persönliche Entscheidungen, sondern auch ein Garant für die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen, die Beantwortung politischer und gesellschaftlicher Fragen, ein gedeihliches Miteinander oder die Lösung komplexer ökologischer Probleme. Trotz oder vielleicht gerade wegen der Tatsache, dass wir in einer akademisierten und von Expertinnen und Experten bevölkerten Gesellschaft leben, schickt er sich an, zu einem neuen Qualitätsmaßstab menschlicher Verstandestätigkeit aufzusteigen. Immer häufiger beruft man sich auf ihn; nicht in geduckter Haltung, sondern selbstbewusst, erhobenen Hauptes. Aber taugt der gesunde Menschenverstand wirklich dazu, Urteile zu fällen, die der Komplexität moderner Lebenswelten gerecht werden? Liefert er uns tatsächlich allgemeingültige Einsichten in die jeweiligen Zusammenhänge, die wir unabhängig vom eigenen Standpunkt akzeptieren können, oder handelt es sich lediglich um eine Sammlung unreflektierter, sich aus individuellen Erfahrungen speisender, Meinungen? Ist es ohne Übertreibung vernünftig uns auf ihn zu verlassen oder sollten wir uns besser um Alternativen bemühen?

Der Mensch als Ressource

In Zeiten ökonomischer, politischer und sozialer Krisen, umkämpfter Märkte, multinational operierender Konzerne und an die Grenzen der Belastbarkeit stoßender Staatshaushalte ist immer häufiger vom Menschen als Ressource die Rede und immer häufiger wird er tatsächlich auch als eine solche betrachtet. Waren es bisher vor allem Produktionsmittel, wie Rohstoffe und Maschinen, die als Ressourcen gehandelt wurden, so ist es nun auch der Mensch selbst. Seine Differenzierte Betrachtung als ein psychophysisches Wesen – als ein Wesen, das sowohl über ein geistiges als auch über ein körperliches Leben verfügt – wird aufgegeben, die Komplexität seiner kulturellen, sozialen und politischen Natur radikal reduziert und seine qualitative Bestimmung als denkendes, fühlendes, wahrnehmendes und erkennendes Wesen mehr und mehr durch eine quantitative ersetzt. Nicht zuletzt die Unternehmerschaft, in dem der Mensch schon seit geraumer Zeit als ‘Human Ressource’ gilt, trägt zu dieser Entwicklung maßgeblich bei. Die Notwendigkeiten der Ökonomie treiben die »Verrohstoffung« des Menschen voran. Die Unternehmen stehen im Wettbewerb. Um erfolgreich zu sein sucht man nach dem besten menschlichen »Material«, das zur Verfügung steht. Es wird bewertet, gefiltert und aussortiert. Doch auch anderswo ist der Mensch als Ressource gefragt: Weltweit buhlen Universitäten um die besten Köpfe, richten Staaten ihre Migrationsprogramme an den Vorstellungen so genannter »High-Potentials« aus, sorgen ganze Kontinente mit fragwürdigen und bisweilen beschämenden Maßnahmen dafür, dass nur die Elite Platz findet. Auf besonders eindrucksvolle Weise zeigt die moderne Hightech-Medizin, was es heißt, den Menschen als Ressource zu sehen. Insbesondere das weite Feld der Organtransplantation ist ohne die Ressource ‘Mensch’ nicht zu bestellen. Auf zugespitzte Weise verrät dabei die aktuelle Hirn-Tod-Debatte, welche Brisanz dem
Thema insgesamt innewohnt: Mit dem irreversiblen erlöschen sämtlicher Hirnfunktionen wird der betroffene Mensch für tot erklärt und gleichsam radikal zur Ressource gemacht. Selbige wird dann so gewinnbringend verwertet wie möglich, nicht anders als es im Fall anderer Ressourcen ebenso geschieht. Per Definition von der Krone der Schöpfung zum bloßen Mittel für Zwecke. Eine düstere Prognose.

Der Wert der Philosophie

Häufig wird der Wert des philosophischen Denkens, mithin der Wert der Philosophie überhaupt, infrage gestellt. Nicht zuletzt deshalb, weil viele Menschen unter dem Einfluss der Wissenschaft oder der Bedürfnisse des praktischen Lebens dazu neigen, in der Philosophie nicht mehr als ein harmloses, aber auch nutzloses Spiel zu sehen, das aus begrifflichen Haarspaltereien und Streitigkeiten über Dinge besteht, über die wir ohnehin nichts wissen können. Diese Auffassung ergibt sich offenbar teils aus einer falschen Vorstellung über Sinn und Zweck des Lebens, teils aus einer falschen Vorstellung über das, was die Philosophie erreichen will.

Die Logik der Welt

Die Welt ist eine logische Welt – das ist, eine Reihe philosophischer Thesen auf eine einzige Formel gebracht, die zentrale Behauptung einiger der bedeutendsten Philosophen der Philosophiegeschichte. Damit ist entweder gemeint, dass diese, unsere Welt keine widersprüchliche, chaotische oder undurchschaubare, sondern eine nach logischen Prinzipien geordnete, grundsätzlich verstehbare Welt ist, oder aber, dass sie nicht eine materielle, raumzeitliche, kausal determinierte Welt der Gegenstände und Ereignisse ist, wie uns dies aufgrund der Wahrnehmung scheint, sondern eine Welt, die realiter aus abstrakten, logischen Gebilden besteht. Die kleinsten Einheiten der Materie, würde Heisenberg sagen, sind in diesem Fall „nicht physikalische Objekte im gewöhnlichen Sinn des Wortes“, sondern „Formen, Strukturen, oder, im Sinne Platons, Ideen […]“. Das sind faszinierende Gedanken, die den Geist herausfordern herkömmliche Sichtweisen zu transzendieren; das Bekannte zu überwinden. Wagen wir einen fragmentarischen Gang durch die Geschichte der Philosophie und begegnen wir dabei den Überlegungen Parmenides’, Platons und Aristoteles’ sowie Leibnizens, Gödels und Hegels.

Diesseits und jenseits der Wahrnehmung

Es mag schon sein, dass es eine Welt gibt, die unserer Wahrnehmung prinzipiell unzugänglich ist, die mithin jenseits aller Wahrnehmung liegt, doch über eine solche Welt lässt sich nichts vernünftiges sagen. Das ist eine weit verbreitete Auffassung, die heute vor allem in den Naturwissenschaften programmatisch ist, aber auch in der Philosophie immer wieder vertreten wurde. Man denke etwa an David Humes Klassifikation sinnvoller Sätze in empirische und tautologische, an Friedrich Nietzsches Abneigung gegen jeden Hinterwelt-Platonismus oder an den berühmten Wiener Kreis, dessen Mitgliedern zufolge sich philosophische Aussagen entweder auf Beobachtungssätze zu beziehen haben oder auf solche Sätze, die sich logisch auf Beobachtungssätze zurückführen lassen. Aufgrund der gewaltigen naturwissenschaftlichen Fortschritte der letzten einhundert Jahre, der damit einhergehenden Ausbildung eines durch und durch physikalischen Weltbildes, sowie einer thematischen Annäherung der Philosophie an Physik und Neurobiologie, herrscht heute neuerlich die Tendenz vor, Aussagen mit Bezug auf wahrnehmungsjenseitige, mithin metaphysische Gegenstände als Ausdruck einer unwissenschaftlichen, vernunftlosen Sicht der Dinge zu verstehen. Doch das ist falsch, wie wir sehen werden.

Gedanken zum späten Jahr

Früh brechen die Nächte an in dieser Zeit. Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Ob zum letzten Mal? Wer weiß das schon. Und inmitten des Getriebes, des Wahnsinns der Besinnlichkeit, halten wir Ausschau. Stille. Ein Riss zwischen Tageslicht und Dunkel. Da hört man sie schreien: Geschäfte schreien, wir retten dich; Karrieren schreien, wir retten dich; Politiker schreien, wir retten dich; Religionen schreien, wir retten dich; Wissenschaften schreien, wir retten dich; Familien schreien, wir retten dich; Freunde schreien, wir retten dich. Die ganze Welt Geschrei.

Gefühle — Opposition zum Verstand?

Obwohl mit dem Titel ›Gefühle — Opposition zum Verstand?‹ recht gut getroffen ist, was hier verhandelt werden soll, ist er dennoch ein wenig irreführend. Es geht nämlich nicht nur darum, sich mit der Frage nach der Gegensätzlichkeit von Gefühlen und Verstand zu beschäftigen als vielmehr darum, zu verstehen, inwiefern und ob überhaupt Gefühle epistemischen Charakter haben; oder anders gesagt, inwiefern und ob überhaupt sie zum Erkenntniserwerb etwas beizutragen vermögen.

Gerechtigkeit und die Logik des Vergleichs

Die Frage nach Gerechtigkeit ist wieder en vogue. Kein Wunder angesichts der Ungerechtigkeiten der aktuellen Krise, die eine am Machbarkeitswahnsinn erkrankte und an grenzenloses Wachstum glaubende Gesellschaft unsanft auf den Boden der Realität zurückgeholt hat. Jetzt wird sichtbar, was lange Zeit unsichtbar blieb, kommt zum Vorschein, was der Deckmantel der Konsum- und Kapitalismusseligkeit gekonnt zu verbergen vermochte. Wäre das nicht eine angemessene Eröffnung eines Essays zur Gerechtigkeit? Ließe sich jetzt nicht vorzüglich ein seitenfüllendes Feuerwerk der Vorwürfe gegen die Großen und Mächtigen abbrennen, gegen korrupte Politiker, mafiose Konzerne, bankrotte Banken, selbstherrliche Ratingagenturen, gewissenlose Spekulanten und gegen wen sonst noch aller? Und der viel zitierte »kleine Mann«, könnte man ihn nicht einfach einen modernen Sklaven nennen, abhängig vom geheimnisvollen Es, der verzweifelt versucht sein Leben zwischen Reihenhaus-Mentalität und Cluburlaub, trotz aller Ungerechtigkeit, sinnvoll erscheinen zu lassen? Wäre damit am Ende der Frage nach Gerechtigkeit nicht Schuldigkeit genug getan, und könnte man es nicht dabei bewenden lassen, die Antwort auf selbige zu delegieren? Wohl kaum. Jedenfalls nicht im Sinne einer philosophischen Betrachtung und letztlich auch nicht außerhalb einer solchen. Machen wir uns also auf den Weg – zunächst zurück zum Ausgangspunkt –, zur ersten von zwei Fragen: Was ist Gerechtigkeit?

Gibt es einen Gott?

Gibt es einen Gott? Das ist eine Frage, die sich die Menschen von jeher stellen, die sie von jeher fasziniert, die sie von jeher – und zwar entsprechend der Antworten die sie zu geben geneigt sind – in verschiedene Lager spaltet und, soviel lässt sich mit einiger Gewissheit sagen, die bis heute einer theoretisch befriedigenden Antwort harrt. Prinzipiell lassen sich drei Richtungen einschlagen: Man kann der Auffassung sein, dass Gott existiert (Theismus), dass Gott nicht existiert (Atheismus) oder dass man über die Existenz Gottes nichts wissen kann (Agnostizismus).

Globalisierung — eine philosophische Analyse

Zumeist stehen sie einander unversöhnlich gegenüber. Die einen, die für die »Welt als Dorf« eintreten und die anderen, die für die »Dörfer als Welt« argumentieren. Befürworter und Gegner der Globalisierung nennt man sie gemeinhin weniger metaphorisch. Politische Streithähne könnte man sie aber auch nennen, denn die Diskussion ist häufig politisch motiviert – ein Duell der Ideologien sozusagen. Dabei geht nicht selten unter, was zu Tage gefördert und wird vermischt, was auseinandergehalten werden sollte. Das Ergebnis solcherlei Auseinandersetzungen: nichts nennenswert Neues. Zurück also zum Anfang. Eine philosophische Analyse soll helfen: Ich beginne mit der Klärung des Globalisierungsbegriffs, samt einem, dem Zeitbudget geschuldeten, fragmentarischen Blick in die Geschichte der Globalisierung. Anschließend diskutiere ich die Frage nach ihrer Urheberschaft, mithin also die Frage, wen wir für die Globalisierung verantwortlich machen wollen. Eine Diskussion, die mit Leopold Kohr in die Kernthesen des personifizierten Widerparts der Globalisierung einmündet. Und zu guter Letzt wird ein Blick auf die sogenannte Glokalisierung geworfen, einer Bewegung, die der Globalisierung scheinbar entgegengesetzt ist.

Glück — eine Einführung

Es scheint wenig zweifelhaft, dass das Glück – oder wie Aristoteles zu sagen pflegt, die Glückseligkeit – eines der höchsten Güter ist, das der Mensch zu erlangen strebt, wenn nicht überhaupt das höchste. Das liegt wohl daran, dass es das einzige Gut ist, das nicht um irgendeiner anderen Sache wegen angestrebt wird, sondern ausschließlich seiner selbst wegen. Wer endlich glücklich ist, so könnte man sagen, der will sonst nichts mehr. Doch zunächst drängt sich die Frage auf, wovon eigentlich die Rede ist, wenn vom Glück die Rede ist.

Individualismus versus Kollektivismus

Die konstitutive Größe einer jeden Gesellschaft sind trivialerweise die in dieser Gesellschaft lebenden Menschen. Das natürliche Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen – oder anders gesagt, die Natur des Miteinander, hat daher unmittelbare Auswirkungen auf die soziale, politische und ökonomische Entwicklung von Gesellschaften. Wenn wir versuchen die soziale Teil-Ganzes-Beziehung, von der hier die Rede ist, philosophisch zu bestimmen und zu klassifizieren, dann sehen wir uns im Wesentlichen mit zwei Deutungsansätzen sozialer Interaktion konfrontiert, die einander diametral sind: Individualismus und Kollektivismus.

Leben, Sterben und Tod

Leben, Sterben und Tod – das sind, objektiv gesehen, die Ecksteine, die unserem Dasein einen nicht verhandelbaren Rahmen geben. Doch der Umgang mit diesem Faktum der Existenz ist subjektiv verschieden. Stellt sich also zunächst die Frage, welchen Beitrag die Philosophie in einer Angelegenheit zu Leisten imstande ist, die vermeintlich hochgradig den Einzelnen betrifft; in der es nicht so leicht vorstellbar ist, dass hier auch allgemeine Prinzipien von besonderer Relevanz sein könnten. Doch ohne Zweifel: Leben, Sterben und Tod waren immer schon Gegenstände philosophischer Reflexion und insofern sind wir am richtigen Ort, um uns des Themas aus philosophischer Sicht zu nähern.

Menschenwürde und Menschenrechte

„Alle Menschen sind frei geboren und gleich an Würde und Rechten. Alle haben Vernunft und Gewissen und sollen untereinander im Sinne der Brüderlichkeit handeln.“ In diesem ersten Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 finden sich die beiden zentralen Begriffe, die man philosophisch zu durchdringen hat, so einem daran gelegen ist, dass Selbstverständliche seiner Selbstverständlichkeit zu berauben und sich der grundlegenden Fragen und Probleme zuzuwenden, die damit einhergehen: ›Würde‹ und ›Rechte‹. Wieder einmal Arbeit am Begriff – Ausbildung einer tiefenscharfen Vorstellung dessen, was gemeint ist.

Philosophie des Alters

Wollte man das Nachdenken über das Alter philosophisch-disziplinär einordnen, so fänden wir es jedenfalls in der philosophischen Ethik, bei der Frage nach einem gelungenen Leben, in der philosophischen Anthropologie, bei der Frage nach dem Wesen des Menschseins und in der Lebensphilosophie, bei der Frage nach Welt- und Lebensweisheit. Will man nämlich darüber Auskunft erhalten, wie unser Leben gelingen kann, worin das Besondere, das Charakteristische dieses Lebens liegt und ob es zur Entfaltung desselben gar einer besonderen Kunst bedarf, so kommt man nicht umhin Lebensaltersfragen zu stellen. Doch es gibt eine Eigenart: Sämtliche Lebensaltersfragen betreffen Gegenstände, die nicht als ein in sich geschlossenes Ganzes betrachtet werden können, denn die Lebensalter des Einzelnen hängen ja unhintergehbar zusammen, gleich welche es sind. Und so lassen sich die Fragen nach einem bestimmten Lebensalter immer nur im Lichte anderer Lebensalter beantworten, solcher, die man bereits hinter sich, oder solcher, die man noch vor sich hat. Eine Philosophie des Alters – eines Lebensalters also, das sich in seinem weiten Vorgerücktsein zeigt – wird daher stets eine Philosophie der Jugend, und aller anderen Lebensalter, implizieren, die dem Alter als solchem voraus liegen, aber ebenso wird sie eine Philosophie des Sterbens sein; denn ohne Zweifel ist das Alter ein Dazwischenliegendes.

Philosophie der Generationen

Jean-Jacques Rousseau, der große französische Philosoph und Aufklärer, war der Auffassung, die Jugend sei die Zeit, Weisheit zu lernen, das Alter hingegen die Zeit, sie auszuüben. Ein Ideal, das die Generationen auf schlechthin wundersame weise verbinden könnte. Doch in unserer betriebsamen Alltags- und Berufswelt kommen wir diesem Ideal nur selten nahe. Wie oft weist die Jugend, ungestüm und vor Kraft strotzend, allen Beistand der Alten zurück; und wie oft ist es nicht die Weisheit, welche die Alten treibt, sondern bloße Eitelkeit. In unserer Debatte über die Jugend und das Alter wollen wir dieser fragilen Beziehung der Generationen auf den Grund gehen. Was sind die Besonderheiten der Jugend und was die des Alters? Und wie lasen sich diese beiden – scheinbar unvergleichlichen – Lebensabschnitte gedeihlich zueinander in Beziehung setzen? Eine Betrachtung in drei Gedankensplittern.

Philosophie der Kunst

Stellen Sie sich vor Sie besuchten ein Konzert der Klasse Arnold Schönbergs, die 1913 in Wien ein Stück von Schönbergs Schüler Alban Berg uraufführte. Oder stellen Sie sich vor, Sie wohnten im selben Jahr einem Ballett des damals jungen russischen Komponisten Igor Strawinsky in Paris bei. In beiden Fällen zählten Sie sehr wahrscheinlich zur überwiegenden Mehrheit jener Besucher, die sich unweigerlich die Frage stellten: Ist das noch Kunst? In Wien kam es zu Tumulten, die Aufführung musste abgebrochen werden, und in Paris wurde das Ensemble gnadenlos ausgebuht. Oder reisen Sie gedanklich ins London 1997. In der Royal Academy of Arts wurde das Werk ‘Portrait der Kindermörderin’ des Künstlers Marcus Harvey durch einen Anschlag mit einem Farbbeutel beschädigt. Diesen Beispielen ließen sich viele hinzufügen. Alle zeigen sie eines: Was Kunst ist, ist umstritten. Das liegt aber nicht etwa daran, dass ihre Rezipienten ausgesucht konservative Naturen wären, vielmehr daran, dass Kunst von Grund auf die Frage impliziert, was Kunst ist und was nicht. Mit Kunst gehen wir nicht wie mit Gegenständen des Alltags, wie etwa mit Tischen oder Stühlen, um. Dass Tische oder Stühle in unserer Lebenswelt vorkommen ist trivial, ebenso trivial wie ihre Funktionen, die wir ohne viel nachdenken in Anspruch nehmen. Bei Kunstwerken ist das anders.

Schönheit — Vier Gedankensplitter zu einem Grundbegriff der europäischen Kultur

„Schönheit liegt im Auge des Betrachters“. Das ist jene viel zitierte Auffassung, die das Schöne zu einer gänzlich subjektiven Angelegenheit macht. Die Deutungshoheit darüber, was schön öder hässlich ist, was gefällt oder nicht gefällt, was brauchbar oder unbrauchbar ist, wird dem Geschmack des Einzelnen überlassen und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Ein Befund, der vor allem jenen Unbehagen bereitet, die sich dem Schönen von Berufswegen anzunähern versuchen und davon überzeugt sind, dass es objektive, allgemein gültige Bestimmungspunkte gibt. Die Frage nach dem Schönen zeigt sich von jeher im Spannungsverhältnis zwischen dem stark subjektiv Schönen, dem schwach subjektiv Schönen und dem objektiv Schönen. In jedem Fall aber ist Schönheit eine Vorstellung, die in fast allen Bereichen unseres Lebens eine zentrale Rolle spielt. Sie stellt einen Wert dar, „der von der Geburt (dem schönen Baby) bis zum Tod (der schönen Leich’) präsent ist“1. Schönheit grundiert, wie kaum etwas anderes, die Ziele und Wunschvorstellungen unserer Lebenspraxis: Wir wollen gemeinhin einen schönen Körper, eine schöne Wohnung, einen schönen Urlaub, ein schönes Haus, eine schöne Einrichtung, einen schönen Abend haben, und nicht das Gegenteil davon. Und so stellt sich die Frage, worin genau das Schöne besteht, woran wir festmachen können, in seinem Besitz zu sein.

Philosophie der Revolution

Die Geschichte der Menschheit ist, allem Anschein nach, eine Geschichte der Revolutionen. Doch was genau sind Revolutionen? Worauf fußen sie? Was bezwecken sie? Wer löst sie aus? Und wie werden sie durchgesetzt? Das sind Fragen, die eine philosophische Theorie der Revolution jedenfalls zu beantworten hat. Sie zielen darauf ab, das Wesen des Revolutionären theoretisch befriedigend zu erfassen. Im Kolloquium zur Philosophie der Revolution haben wir uns daher entlang dieser revolutionstheoretischen Fragestellungen, und aus der Perspektive der Philosophie, mit der Geschichte der Revolution beschäftigt.

Philosophischer Feminismus: Gerechtigkeit, Gleichheit, Würde

Der vorliegende Text ist kein Text zum Philosophischen Feminismus, sondern dient der Klärung allgemeiner Begriffe, worauf der Philosophische Feminismus bzw. die hierzu geführten Debatten aufruhen.

Schopenhauers Bühne

Schopenhauers philosophisches Hauptstück ›Die Welt als Wille und Vorstellung‹, dessen wir im Rahmen dieses Kolloquiums habhaft zu werden suchen, spielt auf einer gewaltigen Bühne, vor atemberaubender Kulisse. Es gründen nämlich die vier Bücher, oder wie Schopenhauer sagt, die vier Gesichtspunkte ein und desselben Gedankens, Welt als Vorstellung: erste Betrachtung, Welt als Wille: erste Betrachtung, Welt als Vorstellung: zweite Betrachtung und Welt als Wille: zweite Betrachtung, nicht nur auf fundamentalen Disziplinen der Philosophie, gemeint sind Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik, sondern es finden sich darüber hinaus – schon in der Vorrede zur ersten Auflage – auch weitreichende Forderungen an den Leser: Nicht nur, dass man mit Schopenhauers Abhandlung ›Über die vierfache Wurzel des Satzes vom Grunde‹ vertraut sein, sondern auch Bekanntschaft gemacht haben solle „mit der wichtigsten Erscheinung, welche seit Jahrtausenden in der Philosophie hervorgetreten ist“, bekanntlich mit den Schriften Immanuel Kants, was an sich schon über die Maßen genügen würde, so könne es aber auch nicht schaden, wenn man eine Zeit lang „in der Schule des göttlichen Platon geweilt hat“. Ist einer aber „gar noch der Wohltat der Veden teilhaft geworden […], dann ist er auf das allerbeste bereit zu hören, was ich ihm vorgetragen habe“. Tatsächlich ist es nicht immer lohnend, sich mit den Requisiten zu beschäftigen, ehe man sich mit dem Stück selbst beschäftigt, um noch einmal die Metapher von Schopenhauers Bühne zu bemühen, doch im Fall von Arthur Schopenhauer handelt es sich um eine Empfehlung, derer wir getrost nachkommen können.

Sind wir wirklich nur unser Gehirn?

Im vorliegenden Text werden drei strake, analytische Argumente gegen die Auffassung ins Feld geführt, wir seien nur unsere Gehirne. Ich beabsichtige damit nicht zu zeigen, dass wir außer einem biologischen Leben auch ein geistiges Leben haben, also dass wir Wahrnehmungen haben, uns erinnern, Entscheidungen fällen, nachdenken, uns freuen und ärgern usw., denn das leugnet ohnehin niemand. Ich möchte vielmehr zeigen, dass sich Geistiges nicht vollständig physikalisch erklären lässt und dass aus diesem Grund die Rede vom Gehirn, im Sinne einer rein naturalistischen bzw. physikalistischen Erklärung von uns selbst, wie sie derzeit Mode ist, wesentlich zu kurz greift. In der Tat: Liesse sich unser geistiges Leben vollständig physikalisch erklären, so wäre eine vollständige Erklärung von uns selbst einer vollständigen Erklärung unseres Gehirns inhärent. Doch dem ist nicht so.

Sprache und Denken

Wer das Tor zum Thema Sprache und Denken aufstößt, der stößt das Tor zu einem philosophischen Universum auf; der würde tausend Jahre benötigen und noch mehr um es zu durchmessen und am Ende seiner Reise würde er doch wieder am Anfang stehen. Dennoch wollte ich mich des Themas annehmen. Nicht zuletzt deshalb, weil wir Philosophen unerschrockene Zeitgenossen sind, was die Aussicht auf Misserfolg betrifft; vor allem aber, weil wir in einer Zeit leben, in der sowohl die Sprache als auch das Denken einen schweren Stand haben. So wird etwa letzterem als Vehikel zu einem umfassenden Verständnis des Weltganzen, zur Erklärung von Vorgängen und Zuständen oder zur Lösung anstehender gesellschaftlicher und kultureller Probleme zunehmend misstraut. Stattdessen ist man der Auffassung, dass selbiges lediglich durch Introspektion, verstanden als sinnliche Innenschau, Bewusstseinserweiterung, Channeling oder ähnlichem zu erreichen wäre. Das ist aber keineswegs nur die Auffassung von selbsternannten Gurus oder radikalen Esoterikern – im Gegenteil – es handelt sich um eine Tendenz, die sich auf breiter Ebene beobachten lässt. In altbekannter Manier wird darüber hinaus, bis in höchste Kreise aus Wirtschaft und Politik, nach dem »pragmatischen Prinzip«1 vorgegangen: »Hauptsache es funktioniert, egal warum.« Dem Denken wird das Handeln vorgezogen – das theoretische Verständnis der Dinge dabei verunglimpft, das praktische hingegen geheiligt. Ähnlich schlecht ist es um die Sprache bestellt: Sie wird, um den Anforderungen neuer Medien gerecht zu werden, aber auch der fehlenden »Zeitbudgets« wegen, verstümmelt und demontiert. Geschrieben wird in Wortfetzen und Abkürzungen, auf Rechtschreibung und Interpunktion wird verzichtet. Weil aber Sprache und Denken weithin eine Einheit bilden – eine These, die auf Wilhelm Humboldt zurückgeht und heute zum philosophischen Konsens zählt – sehen wir uns einer fatalen Entwicklung gegenüber. Die Mehrheit, der in modernen Gesellschaften lebenden Personen, wird nämlich zunehmend unfähig, selbst einfache Zusammenhänge zu erfassen, zu reflektieren und sich diesbezüglich systematisch zu äußern. Das ist der Analphabetismus des 21. Jahrhunderts. Ein untrügliches Indiz für seine Ausbreitung sind Beiträge in diversen Blogs, Foren, sozialen Netzwerken und Videoportalen. Was man hier bisweilen zu lesen und zu hören bekommt, ist, um es mit Peter Sloterdijk zu sagen, eine Beleidigung der intellektuellen Phantasie. Von der Art Analphabetismus sind aber keineswegs nur Menschen betroffen mit schlechter Schulbildung und geringem Einkommen, wie man es gemeinhin zu sagen pflegt, sondern auch jene, die auf vorzügliche Ausbildungen verweisen können. Die großen Anstrengungen, die während der Aufklärung und insbesondere in der Philosophie der Neuzeit unternommen wurden, das Denken zu einem »Gemeingut« zu erheben und den Großteil der Menschen von bloß vernunftbegabten zu vernunfttätigen Wesen zu machen, scheinen in Zeiten von Facebook, Twitter oder Youtube vergeblich gewesen zu sein.

Über die Freundschaft

In einer der bedeutendsten Moralphilosophien der Antike, der Nikomachischen Ethik, formuliert Aristoteles die Prinzipien des guten Lebens. Das vollkommen Gute, so Aristoteles, ist dasjenige Gut, das seiner selbst wegen angestrebt wird und dieses ist nur eines: die Glückseligkeit. Alles andere wird nicht seiner selbst wegen, sondern irgendeinem Zweck wegen angestrebt, so ist es etwa in der Medizin die Gesundheit, in der Schiffsbaukunst, das Schiff, in der Strategik der Sieg und in der Wirtschaftskunst de rReichtum. Die Glückseligkeit aber, oder wie wir heute sagen würden, das glückliche Leben, ist Selbstzweck, weshalb es auch unter den vielen und mannigfaltigen Zielen, die wir in unserem Leben zu erreichen suchen, das Endziel ist. Wer endlich glücklich ist, der will sonst nichts mehr. Soweit so gut. Was aber die Glückseligkeit ist, worin das glückliche Leben besteht, was ein glückliches Leben von einem weniger glücklichen oder gar von einem glücklosen Leben unterscheidet, darüber kann man trefflich streiten. Was sind die einzeln notwendigen und gemeinsam hinreichenden Bedingungen, deren Erfüllung für ein glückliches Leben unabdingbar sind? Nun, für Aristoteles ist es – neben einem gewissen Grad an Wohlstand und der tätigen Entwicklung der Seele, den Tugenden der Vernunft nach, das sind Klugheit, Auffassungsgabe und Weisheit – die Freundschaft. Die Freundschaft gehört zum Notwendigsten im Leben, denn „keiner möchte ohne Freunde leben, auch wenn er alle übrigen Güter besäße“.

Viktor Kraft

Curriculum Vitae: Auszüge aus dem Original
Philosophisches Umfeld: Neukantianismus, Phänomenologie, Psychologismus
Die Doktrin des Idealismus: Mainstream der Philosophie um 1900
Weltbegriff und Erkenntnisbegriff: Das philosophische Programm

Wahrheit — das letzte Heiligtum?

Wahrheit – das letzte Heiligtum der Wissenschaft und der Religion. Das Fundament unseres ganzen wissenschaftlichen Erkenntnisgebäudes ebenso wie der theologischen Deutungshoheit über den inneren Zusammenhang des Universums. Der Maßstab an dem sich alles menschliche Wissen zu messen hat, von einer Theorie über das Weltganze bis hin zu einer Antwort auf die trivialsten Fragen. Zweifellos: Wer sich dem Begriff der Wahrheit nähert, der steht vor einem gewaltigen Monument. Von Platon einst errichtet thront die Wahrheit noch heute im metaphysischen Reich des unveränderlichen, unzerstörbaren, absoluten und ewigen Seins. Es ist das Versprechen, das in ihrem Besitz liegt, zu Ruhm, Macht, Weisheit oder Erlösung zu gelangen, das den homo sapiens, den denkenden Menschen wie den Philosophen, schon immer beschäftigt, fasziniert, herausgefordert hat. Doch die schiere Unmöglichkeit ihrer auch nur Ansichtig, geschweige denn habhaft zu werden, macht die Suche nach der Wahrheit zu einem mühsamen, langwierigen und manchmal auch gefährlichen Weg. Viele sind umgekehrt, manche hat man ausgelacht, andere verjagt und wieder andere hat man getötet. Da verwundert es dann nicht, dass es auch Stimmen gibt, die dieser Suche sogar existenziellen Charakter zuschreiben. So spricht etwa die ungarische Philosophin Ágnes Heller, die Hannah Arendt auf den Lehrstuhl für Philosophie der New School for Social Research folgte, in Ihrem neuen Buch ‘Die Welt der Vorurteile’ davon, dass „das Leben nur Sinn [macht], wenn die Suche nach Wahrheit kompromisslos verteidigt wird.“

Was ist vernünftig?

Gerade Unternehmerinnen und Unternehmer sind ständig damit beschäftigt nach Lösungen zu suchen, zu entscheiden und zu handeln. Nicht selten geht es dabei um viel und nicht selten stellt sich einem die Frage: Was ist vernünftig? Was zu entscheiden vernünftig ist, das ist in der Tat die Gretchenfrage. Das menschliche Leben besteht aus einer Abfolge von Entscheidungen. In jeder Entscheidung wählen wir zwischen verschiedenen Möglichkeiten des Handelns und der Standpunkte, die uns in Bezug auf ein Thema zur Verfügung stehen. Nicht zu entscheiden ist unmöglich, denn auch „wenn wir glauben, in einer bestimmten Angelegenheit keine Entscheidung zu fällen, haben wir eine Entscheidung gefällt: die Entscheidung, in dieser Sache nichts zu unternehmen und den Dingen ihren Lauf zu lassen“. Doch auf welchem Fundament ruhen vernünftige Entscheidungen und Handlungen auf? Wie lassen sie sich gewinnen und wo liegen ihre Grenzen? Das sind Fragen von fundamentaler Bedeutung, die heutzutage von einer Vielzahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz unterschiedlichen Disziplinen behandelt werden – etwa der Neurobiologie, der Kognitionswissenschaft oder der KI-Forschung – die aber von jeher auch einen philosophischen Charakter haben. Denn sie betreffen wohl unhintergehbar die Kapazität unseres obersten Erkenntnisvermögens: nämlich der Vernunft. Und so könnte man in erster Analyse behaupten: Vernünftig ist, was der Vernunft entspringt.